Direkt zum Hauptbereich

Das berühmte "NEIN" Sagen

Ein großes Thema, besonders unter HSPs, ist die Kunst des Nein-Sagens.
Dies fällt Menschen generell aus den verschiedensten Gründen schwer, so sie nicht knallharte Ellbogentypen sind - für eine HSP ein noch schwierigeres Unterfangen.

Wenn jemand daran zerbricht oder ans Ende seiner Kräfte kommt, dann sind folgende Sätze äußerst unangebracht:
"Warum hat er/sie die Grenze nicht gezogen?" "Er/sie hat doch gemacht, was ihm/ihr Spaß machte, wieviele dürfen das schon, warum war jetzt alles auf einmal zuviel?" "Warum hat er/sie nicht gesagt, dass es genug ist?" "Er/sie hat dieses Leben doch gewählt, warum passt es jetzt auf einmal nicht mehr?" "Warum sagt er/sie nicht einfach NEIN?"

Es gibt wahrscheinlich hundert Gründe, weshalb eine hochsensible Person nicht nein sagt. Hier sind einige davon:

1) wie die meisten Menschen auch möchte man geliebt und anerkannt werden. Ein Nein könnte Ablehnung zur Folge haben.

2) Wenn andere Menschen sozial, beruflich, familiär von einem persönlichen NEIN betroffen sind, kann das eine HSP in einen großen inneren Konflikt stürzen, weil sie durch ihre feinen Sinne und einem zuviel an Empathie die Befindlichkeit des Gegenübers wahrnimmt und meistens mehr bei ihm als bei sich selbst ist. Das bedeutet, dass sie die Enttäuschung des anderen Menschen "am eigenen Leib" spürt.

3) HSPs haben eine überdurchschnittliche soziale Kompetenz, weswegen man sie meist in künstlerischen oder helfenden Berufen antrifft, sehr selten in wirtschaftlichen, wo es um reinen Profit geht. Ein NEIN stellt sich da gegen jede Ethik. Selbst wenn es gesund wäre.

4) Das schlechte Gewissen, die Schuldgefühle, die eine HSP plagen, wenn sie jemanden - nach ihrem Empfinden! - vor den Kopf gestoßen hat, wiegen schlimmer als ein JA, das im Augenblick gegen die eigenen Kräfte und Ressourcen geht. 

5) Ein sehr hoher Prozentsatz unter den HSPs hat ein ausgeprägtes "Helfersyndrom". Ihnen ist sehr daran gelegen, den Schwächeren zu helfen und die Welt zu einem besseren Ort zu machen. Sie tragen das Gefühl in sich, das sei ihre Aufgabe. Ein schroffes Wort der Ablehnung geht sich dabei nicht aus. 

6) Ein weiteres Merkmal ist ein sehr starker Sinn für Gerechtigkeit. Was in etwa so aussieht: habe ich jetzt das Recht, jemandem meine Hilfe zu verweigern, im Gegenzug aber selber einige Wünsche für mich ans Leben zu haben? Eine HSP fühlt sich nur in der Balance zwischen Geben und Nehmen wohl.  Und tendiert dann leider oft zur Dysbalance und verliert die eigene Grenze aus den Augen. 

7) Das Stichwort schlechthin ist Perfektion. Nur, wenn das gesamte Außen austariert und in Harmonie ist, sprich: es jedem im engeren Umfeld gut geht, alles seine Ordnung hat und an seinem richtigen Platz ist, dann kann sich eine HSP entspannen.

8) Viele sehr ausgeprägt spirituelle HSPs haben vielleicht Angst  vor "Strafe" jeglicher Art: Gott, Karma, dem Universum...etc. Auch das ist nicht zu unterschätzen, wenn auch meines Erachtens wirklich nicht nötig. Gott ist LIEBE. 

9) Leider geht es oft um die Frage: darf ich das überhaupt? Nein sagen? Macht mich das zu einem schlechteren Menschen, der anderen seine Hilfe verweigert? Erwartungen von außen können eine HSP unter sich zerdrücken. 

10) Leider glaube ich - und das ist ein zentraler Punkt - dass vielen HSPs erst bewusst ist, dass ein gesundes NEIN jetzt angebracht wäre, wenn ihre Grenzen bereits weit überschritten sind. Es mangelt da an Selbstwert und Achtsamkeit sich selbst gegenüber. Weil sich HSPs viel eher energetisch bei ihrem Gegenüber als bei sich selbst aufhalten.
Da müsste man als allererstes ansetzen: bei sich bleiben, sich selbst wahrnehmen und das eigene körperliche Empfinden dazu. Der Bauch irrt sich nicht. 

Ein wichtiger Ansatz zum eigenen Wohlgefühl ist das Transportieren auf die Gefühlsebene, dass ein NEIN zu anderen manchmal ein JA zu sich selbst und seinen Bedürfnissen ist. Man muss es nicht rauschreien, man kann es auch sehr sanft, aber bestimmt formulieren. 

Denn ein klares NEIN bedeutet nicht, dass etwas nie geschieht, sondern nur im Augenblick nicht und möglicherweise nur verschoben wird. Und dann womöglich für beide Parteien sogar der viel bessere Zeitpunkt herrscht. Lasst eine HPS ruhig den richtigen Zeitpunkt bestimmen! Meist hat sie den 6. Sinn dafür...

Bleibt bei euch, das ist Selbstliebe, und die ist ganz wichtig!


 


Kommentare

  1. Wie all Deine Einträge ist auch dieser wieder sehr analytisch und informativ.
    Ich glaube, ein reflektierter Selbstschutz ist das Problem der meisten HSP. Das Erkennen von Grenzsituationen bereits im Vorfeld bedarf eines hohen Maßes an Selbstbeobachtung. Nur so lässt sich vermeiden, das es zu spontanen (und dann meist sozial unverträglichen) Abwehrreaktionen kommt.
    Ich denke da z.B. an abruptes "Dichtmachen" oder den plötzlichen Rückzug aus Situationen, der für Nicht-HSP unverständlich erscheint.
    Ein klares Nein ist sicher eine gute Lösung, nur muss die HSP zunächst an sich selbst erkennen, wann dieses Nein notwendig wird - und zwar nicht erst, wenn die Überforderung bereits eingetreten ist.

    Liebe Grüße!
    Ich bin echt begeistert von dieser Seite.

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Vielen lieben Dank für deine sehr wichtige und reflektierte Antwort! Ich freue mich über dein Feedback und hoffe auch, dass die Seite viele erreicht,
      die davon profitieren können! Alles Liebe! H.

      Löschen

Kommentar veröffentlichen